Lebensentwurf: F.U.N. - FamilienUnternehmensNachfolgerin
Von Britta J. Reinhardt
Geprägt von einem hohen Grad an Emotionalität sind Familien-Unternehmen wenig kalkulierbar, meist hoch flexibel und gleichzeitig oft stark verstrickt. Und genau diese Aspekte machen sie häufig sehr erfolgreich.
Ein solches Umfeld bringt eine eigene Art von Führungsfrauen hervor: FamilienUnternehmensNachfolgerinnen, die ich augenzwinkernd mit „F.U.N.“ abkürze, denn trotz aller Hürden, kann es auch großen Spaß machen.
Welche Rolle spielen die Töchter bei der Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen?
Fest steht, dass Familienunternehmen historisch gesehen als „Männerbund“ (Haubl/Daser 2006, 14) konstituiert sind. Dies findet insbesondere seinen Ausdruck in der Regel, dass der erstgeborene Sohn das Unternehmen erbt und Geschäftsführer wird, die sogenannte „Primogenitur“.
Diese Regel kann in unterschiedlicher Konsequenz Anwendung finden - ältester Sohn vor ältester Tochter, jeder erwachsene Sohn vor Tochter, entfernte(re) männliche Verwandte vor Tochter, Schwiegersohn vor Tochter, externer männlicher Geschäftsführer vor Tochter) (Haubl/Daser 2006, 14) und ist in fast allen Familienunternehmen unterschwellig noch wirksam.
Frauen kommen nach wie vor in der Unternehmensnachfolge vor allem dann vor, wenn die männliche Nachfolge, aus welchem Grund auch immer, nicht möglich ist.
Das ist aus verschiedenen Gründen bedauerlich:
- Die meisten Familienunternehmer wünschen sich eine familieninterne Nachfolge, warum also nicht an eine Tochter übergeben?
- Frauen sind heute in der Regel genauso gut ausgebildet wie (und zum Teil sogar besser als) ihre Brüder.
- Es kann ein sehr erfüllender Lebensentwurf für Frauen sein, zur „F.U.N.“ zu werden.
- Häufig gestaltet sich ein Generationswechsel von Vater auf Tochter vergleichsweise reibungslos (Daser / Rahn 2008, 50).
Letzteres gelingt laut Daser/Rahn vor allem dann, wenn es sich bei der Tochter um eine sogenannte „Vatertochter“ handelt, welche durch eine besondere Nähe mit ihrem Vater verbunden ist. „Vatertöchter neigen dazu, ihren Vater zu idealisieren und können umgekehrt mit einer ausgeprägten Wertschätzung seinerseits rechnen.“ (Daser/Rahn, 58)
Wesentlich ist auch zu beachten, dass das Prinzip der Primogenitur den Söhnen keineswegs nur Vorteile bringt, ganz im Gegenteil, können sie nicht „konfliktfrei die Geschäftsleitung verweigern“ (Haubl/Daser, 14) und „patriarchal eingestellte Väter können ihren Töchtern leichter Individuation ermöglichen, als ihren Söhnen“ (Haubl/Daser, 16).
Bemerkenswert ist auch die Rolle der Mütter, die zur Selbstverständlichkeit der Primogenitur sowohl durch ihr stillschweigendes Einverständnis als auch durch die geschlechtsrollenspezifische Sozialisierung der Kinder zur Vermeidung von Geschlechtsrollenkonflikten beitragen. (Haubl/Daser, 14)
Als einen weiteren Faktor für erfolgreiche Nachfolge möchte ich die sogenannte Generativität benennen, d.h. dass die Beteiligten ein Interesse daran haben, Teil von etwas zu sein, das sie selbst überdauert.
„Generativität ist die Kraft, die allen menschlichen Formen der Reproduktion zugrunde liegt, von den biologischen hin zu den geistigen“ (Kotre 2001, 23)
Anschaulich wird Generativität durch folgende Geschichte:
„In einer Oase, ganz versteckt in einer Wüstenlandschaft, weit entfernt, kniete der alte Eliahu neben ein paar Dattelpalmen. Sein Nachbar, Hakim, war gekommen, um seine Kamele zu tränken, und sah den schwitzenden Eliahu im Sand graben. „Wie geht es Dir, Alterchen? Friede sei mit Dir.“ „Ebenso mit Dir“ , antwortete Eliahu, ohne von seiner Arbeit aufzuschauen. „Was tust Du hier, bei der Hitze, mit dem Spaten in der Hand?“ „Ich säe“, antwortete der Alte. „Was säst Du denn, Eliahu?“ „Datteln“ , antwortete dieser und zeigte auf den ihn umgebenen Dattelhain. „Datteln“, wiederholte der Ankömmling und schloss die Augen, wie jemand, der verständnisvoll auch noch der größten Dummheit lauscht. „Die Hitze hat dir das Hirn verdorrt, mein Freund. Lass die Arbeit Arbeit sein und komm mit ins Café, da trinken wir ein Gläschen Schnaps.“ „Nein, ich muss erst meine Aussaat beenden, danach können wir trinken, wenn Du willst…“ „Sag mein Freund, wie alt bist Du eigentlich?“ „Ich weiß es nicht. Sechzig, siebzig, vielleicht achtzig… Keine Ahnung, ich habe es vergessen. Aber es ist ja auch völlig unwichtig.“ „Sieh mal, lieber Freund. Dattelpalmen brauchen fünfzig Jahre, bis sie groß sind, und nur als ausgewachsene Palmen bringen sie Früchte hervor. Ich wünsch Dir nur das Beste, wie Du weißt. Hoffentlich wirst Du hundert Jahre alt, aber sei Dir im Klaren, dass Du wohl kaum die Ernte Deiner Saat einholen wirst. Laß es also sein und komm mit.“ „Schau mal, Hakim. Ich habe die Datteln gegessen, die ein anderer gesät hat, jemand, der davon träumte, diese Datteln zu essen. Ich säe heute, damit andere morgen die Datteln ernten können, die ich pflanze,… und wenn es auch nur zum Dank an diesen Unbekannten wäre, lohnte es sich meine Arbeit hier zu Ende zu führen.“ (Bucay 2013, 266-267)
Vier Thesen über die Attraktivität des Lebensentwurfes „F.U.N.“
- Generativität wird als zutiefst sinnstiftend erlebt.
Die Tatsache in der Tradition einer Unternehmerfamilie zu stehen, an und in einem Unternehmen zu arbeiten, das von den Eltern, Großeltern oder vorherigen Generationen gegründet und aufgebaut wurde, gibt dem eigenen Leben und Wirken eine Richtung, einen tieferen Sinn und bringt häufig auch den Wunsch hervor, dies in die nächste Generation weiter zu tragen.
Dies ist eine Evidenz, die sich nicht nur bei den erfolgreichen familieninternen Übergaben zeigt, sondern die mir gerade bei schwierigen, sowie bei gescheiterten Unternehmensnachfolgen begegnet ist.
Wenn die Beziehungen innerhalb der Familie konfliktbeladen und schmerzhaft ausgestaltet waren und der unternehmerische Erfolg dennoch in die nächste Generation getragen wurde, ist die Tatsache in einem beruflich erfolgreichen Kontinuum zu stehen, manches Mal die zentrale positive Verbindung zur Vorgängergeneration.
Wie stark diese Sinngebung wirkt, kann man ganz besonders an nicht erfolgten Nachfolgen beobachten: So befindet sich manches Unternehmer“kind“ auf Sinnsuche in seinem Leben und trägt schwer daran, dass die Nachfolge nicht angetreten werden konnte. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Vater das Unternehmen verkauft hat, um der nachfolgenden Generation die viele Arbeit und die hohe Verantwortung nicht zuzumuten oder es sich nicht gegen ein anderes Familienmitglied durchsetzen konnte. - Frauen erkennen ganz besonders die Veränderungsmöglichkeit von Führungsstil und Unternehmenskultur, ohne sich dabei in kräftezehrenden Auseinandersetzungen mit männlichen Vorgesetzen aufreiben zu müssen.
Das eigene Unternehmen bietet die Gelegenheit, männlich geprägte Macht- und Entscheidungsstrukturen auszuhebeln und die Art von Führungsstil und Unternehmenskultur zu etablieren, die frau gefällt.
Die vermeintlich „weiblichen“ Führungsstile entsprechen dabei frappierend den Ansätzen heutiger moderner Führung, die rein männlich dominierte Unternehmen vielfach zwar proklamieren, jedoch häufig nicht umgesetzt bekommen. - Statt „Einsamkeit in der Führung“ entscheiden sich die „F.U.N.“ -Frauen lieber für das Teilen der Führungsaufgaben und setzen auf Tandem-Lösungen oder andere partizipative Führungsmodelle.
Eine Mehrzahl der F.U.N.-Frauen wählen das sogenannte Tandem als Übernahme- und Führungsstrategie (Jäkel-Wurzer/Ott, 1). Sie führen also zunächst gemeinsam mit dem Übergeber (meist dem Vater) und später mit einem anderen Familienmitglied oder einer Fremdgeschäftsführer*in und vermeiden so die berühmte Einsamkeit an der Spitze.
- Der Lebensentwurf „F.U.N.“ bietet die Möglichkeit beides zu vereinbaren: Familie & eigene Kinder und eine verantwortungsvolle, herausfordernde Arbeit.
Die besonders in Deutschland viel umstrittene Vereinbarkeit von Familie und Beruf findet in Familienunternehmen ihre ganz eigene Antwort. Natürlich kann auch die „F.U.N.“ -Frau keine Kinderbetreuungsplätze der öffentlichen Hand herzaubern. Aber sie kann sich anders organisieren. Sie ist freier in der Gestaltung und kann selbst bestimmen, wie sie ihr Arbeits- und Familienleben organisiert. Was es dazu braucht ist in jedem Fall ein dickes Fell - so sagte eine gestandene Unternehmerin und Mutter in diesem Zusammenhang: „Was ich am bittersten lernen musste, war Anfeindungen abprallen zu lassen und aufzuhören, mich zu erklären.“
Erfolgsfaktoren für den Lebensentwurf „F.U.N.“
- Vor Einstieg in das Familienunternehmen ist es sinnvoll, einige Jahre Erfahrungen außerhalb zu sammeln.
- Eine gute Beziehung zwischen Abgeber*in und Nachfolger*in (meistens eine gute Vater-Tochter-Beziehung) ist die beste Basis. Der Versuch über die Nachfolge im Familienunternehmen eine Mangelbeziehung mit Leben zu erfüllen, ist eine schmerzhafte Sisyphos Aufgabe.
- Unterstützung vom Partner und Familie: Wenn Sie sich zum Lebensentwurf „F.U.N.“ entscheiden, ist ihr ganzes Leben davon betroffen. Klären Sie daher sehr bewusst mit den wichtigsten Menschen in Ihrem Leben, wie Sie sich gegenseitig unterstützen können.
- Klarheit in der Abgrenzung, definiertes Ende vom Tandem mit dem Übergeber (Jäkel-Wurzer/Ott, 4), sonst besteht die Gefahr, nie aus dem Schatten des Vorgängers herauszukommen.
- Eindeutige innere Klärung zwischen „ich will“ und „ich muss/soll“
Fazit:
Der Lebensentwurf „F.U.N.“ bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten. Mit der Bereitschaft, sein Leben voll beiden Themen, Familie und Unternehmen, zu widmen, ist die wichtigste Voraussetzung für einen erfüllenden Entwurf gegeben.
Darüber hinaus birgt er die Chance auf eine wunderbare win-win-Situation für beide Generationen: familieninterne Kontinuität für die abgebende Generation und große persönliche Gestaltungsfreiheit für die Töchter.
Daher wünsche ich Unternehmerfamilien, dass sie sich der immer noch selteneren Variante der weiblichen Nachfolge öffnen.
Und ich wünsche jungen Frauen, dass sie durch diese Beispiele erfolgreicher Nachfolgerinnen Mut fassen, ihren ganz eigenen Lebensentwurf „F.U.N.“ zu gestalten.
Denn: Unternehmensnachfolge klug gedacht, ist unbedingt auch weiblich!
Britta J. Reinhardt ist Unternehmensberaterin und Coach für Nachfolger*innen auf dem Weg in die Verantwortungsübernahme in Familienunternehmen. Sie ist ehrenamtlich engagiert im Wiesbadener Institut für Nachfolge-Kultur WINK, das sich für den multi-perspektivischen und ganzheitlichen Blick auf die Unternehmensnachfolge einsetzt.
Mehr unter www.upsidedown-consult.de und www.wink-ev.de
Literatur:
- Bucay, Jorge (2013) „Komm ich erzähl Dir eine Geschichte“, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag
- Daser, Bettina / Rahn, Christina (2008) „Wenn die Tochter dem Patriarchen folgt“ In Strick, Sabine (Hrsg.): „Die Psyche des Patriarchen“, Frankfurt am Main: FAZ-Buch
- Haubl, Rolf / Daser, Bettina (2006) „Familiendynamik in Familienunternehmen: Warum sollten Töchter nicht erste Wahl sein?“, Frankfurt am Main: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- Jäkel-Wurzer, Daniela / Ott, Kerstin (2014), „Töchter im Familienunternehmen“, Heidelberg: Springer Gabler
- Kotre, John (2001): „Lebenslauf und Lebenskunst, Über den Umgang mit der eigenen Biographie“, München: Carl Hanser
Arthur
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