Frauen in Führung bringen
Jeder, der ein Unternehmen führt, ist mit dem Problem des Arbeitskräftemangels- und des Fachkräftemangels am Markt beschäftigt. Gleichzeitig haben wir viele hochqualifizierte Frauen, die nur Teilzeit oder gar nicht arbeiten oder auf der Verantwortungsebene weit unter ihren Möglichkeiten verbleiben. Häufig bekomme ich die Rückmeldung, dass Männer frustriert sind, wenn sie Frauen eine Karrieremöglichkeit angeboten haben und diese erst einmal gezögert haben oder später auch abgelehnt haben. Der grundsätzliche Wille, Frauen Chancen zu geben und auch der Bedarf sind da. Die Männer wirken ratlos und man hört immer wieder den Satz, „Ich finde keine Frau für diese Position.“ Das hat natürlich zum einen mit den Suchkriterien zu tun, die noch sehr auf Männerbiografien ausgerichtet sind. Gerade für Beirats- und Aufsichtsratsmandate sucht man geschäftsführende Gesellschafter:innen und wird dort im weiblichen Umfeld nicht fündig. Dabei könnte man die Suchkriterien der weiblichen Realität anpassen und in zweiter Ebene fündig werden. Aber darum soll es hier nicht gehen.
Ich sehe auch viele Frauen, die in Führung in sichtbare Positionen gehen und dann nach kurzer Zeit wieder aufhören. Warum ist das so? Wenn wir Frauen in Führung bringen wollen, dann ist es wichtig, dass wir uns in die Situation der Frauen hinein denken. Eine Frau hat auch in heutiger Zeit oft sehr viele Care-Pflichten zu Hause. Das sind zum einen Kinder, da ist der Haushalt, da sind die Schwiegereltern, die Eltern und ehrenamtliche Tätigkeiten. Auch tun Frauen gerne etwas für ihre mentale und körperliche Gesundheit. Dies zum Beispiel in Sportgruppen oder gelebten Freundschaften. Dies bindet Zeit, lädt aber gleichzeitig den Akku auf. Vielleicht werden Frauen deswegen auch älter und leiden weniger an beruflichem Burn-Out.
Aber wenn wir eine Antwort auf die Frage finden wollen, dann müssen wir uns in die gefragten Frauen hineinversetzen. Für Frauen ist ein Karriereschritt häufig mit vielen Nachteilen verbunden. Zum einen haben Sie Angst, wie sie ihren vielfältigen Pflichten genügen können. Sie haben große Erwartungen an das, was sie dort leisten müssen und wollen und sorgen sich, dem nicht gerecht zu werden. Viele Frauen haben einen großen „Mach’s-Recht oder „Perfekt-Antreiber“. Zum anderen fällt es Männern psychologisch immer noch sehr schwer, eine Partnerin an ihrer Seite zu haben, die sie beruflich überholt. Viele Männer ziehen ihr Selbstvertrauen aus ihrer beruflichen und statusmäßig fixierten Rolle. Dies motiviert sie stark, Karriere zu machen und Macht und Reichtum anzustreben. Auch der Druck ihrer Eltern auf sie war zumindest in früheren Generationen deutlich größer, als dies bei Frauen der Fall ist. Frauen fragen sich also, ob ihr Partner das mental verkraften wird und die Beziehung dem standhält, wenn sie die Karriereleiter an ihm vorbei weiter hinaufsteigt. Viele Frauen deckeln sich im Leben, da sie merken, dass es einfach nicht so gut ankommt, zu viel zu können und zu wissen oder so vielfältige Interessen zu haben. Ich bin ja so ein typisches Beispiel dafür. Ich habe so vielfältige Interessen, Erfahrungen und Kenntnisse, das es für ein CI im LinkedIn-Profil einfach nicht passt. Wenn ich mich vorstelle, muss ich immer überlege, was ich weglasse, damit mein Gegenüber nicht völlig überfordert ist. Ich bin in der Wirtschaft unterwegs und habe jetzt ein Buch über Pferdekommunikation geschrieben. Wie passt das zusammen? Ja ganz wunderbar! Ich habe mich so gefreut, als mich neulich eine Dame über LinkedIn kontaktiert hat, die ebenfalls in der Versicherungsbranche unterwegs ist. Sie hat mir erzählt, wie viel Mut es ihr gemacht hat, dass ich dieses Buch geschrieben habe, denn sie hat ihr ganzes Leben lang Teile von sich nicht offen gezeigt, weil sie auf so viel Unverständnis gestoßen ist. Es fühlt sich an, als ob es eine limitierte Deckelung aller Fähigkeiten im Sinne von 100% gibt und wenn man zu viele Sachen macht, dass man dann in der einen Sache, um die es im Bewerbungs- oder Auswahlprozess geht, ja dann nicht gut genug ist. Aber so ist es nicht. Genau wie bei mehreren Kindern, die man alle zu 100% lieben kann, kann man auch in Summe weit mehr als die 100 können und leben. Vielmehr bereichern die Kenntnisse weit über ein Fachgebiet hinaus das Denken aus der Metaebene und man kann Rückschlüsse und Lösungen aus anderen Bereichen in den Fachbereich implementieren. Man könnte zum Beispiel meine Kenntnisse über die Pferdekommunikation ganz wunderbar in die Wirtschaft einbinden, denn sie führt zu authentischer holistischer Führung, die wiederum ganz wichtig für das Gewinnen und Binden von Mitarbeitenden ist. Aber so weit sind wir wahrscheinlich in Deutschland noch nicht. Ich habe zumindest beschlossen, dass das nicht mein Problem ist und ich jetzt sichtbar sein möchte mit meinem gesamten Portfolio an Themen.
Kinder, Hund, Pferd, Ehe und Karriere, geht das? Ja mein Motto ist: Alles ist möglich! Ein paar Glaubenssätze hinterfragen, delegieren, es sich wert sein, organisieren und einfach machen.
Die Biografien so vieler Frauen in der Wissenschaft im Laufe der Geschichte haben mir Mut gemacht. Oft wurden ihre Themen erst viele Jahre nach ihrem Tod von Männern „entdeckt“ und entsprechend honoriert und mit Preisen gewürdigt. Mathematik und MINT waren typische Frauenthemen. Sie waren in der Geschichte eng mit der Philosophie verzahnt. Im Laufe der Geschichte gab es unzählige Frauen, die die Wissenschaften geliebt haben, aber keine Schulabschlüsse, keine Uniabschlüsse und später als dies möglich war, keine Professuren ausüben durften. Bis heute deckeln sich viele Frauen mit ihren Themen, jetzt in der westlichen Welt aber aus anderen Gründen.
Ich erlebe Männer, die vollkommen in ihrer Rolle als geschäftsführende Gesellschafter einer Firma aufblühen. Wenn man sie fragt, wer sie sind, liegt die Antwort einfach auf der Hand. Ich bin geschäftsführender Gesellschafter von xy. Es ist wie früher bei der Jagd. Die Männer hatten eine klare Aufgabe, einen klaren Fokus und der hat ihre ganze Kraft und Konzentration gefordert. Das haben sie dann in das Arbeitsleben überführt. Bei Frauen war dies anders. Sie waren in ihrer Vielfältigkeit gefragt. Sie haben die Kinder bekommen und großgezogen, waren für das Soziale im Dorf verantwortlich, haben sich um die Eltern gekümmert, den Garten bestellt, das Essen gekocht, die Wäsche gewaschen, Sachen genäht, Geschichten erzählt und vieles mehr. Und auch wenn sich die Zeiten geändert haben, weibliche Nachfolge kein großes Thema mehr ist und wir eine Akademikerinnenquote über 50% haben, haben sich manche Dinge noch nicht geändert. Zu den vielfältigen Aufgaben der Frauen kommt jetzt noch ein beruflicher Erwartungsdruck dazu. Da die Rahmenbedingungen für die Kinder in Deutschland durch eine konservative Grundhaltung auf den Alleinverdiener-Ehemann ausgerichtet ist und ein Mit-Grund für die Ablehnung der Ganztagsschule die Angst war, die Frauen könnten den Männern „den Rang streitig machen“, sind Kinder in Deutschland auf die Betreuung durch Eltern oder Großeltern angewiesen. Andere Länder haben dies anders gelöst. In Deutschland kann man einen Fahrer von der Steuer absetzen, eine Kinderfrau jedoch nur limitiert (ungeprüftes Beispiel). Alle Entscheidungen wurden von männlichen Entscheidungsgremien getroffen. Erst langsam werden die durch die wenigen Vorreiterinnen geprägten Gesetze auch in der Praxis umgesetzt. Also Fakt ist, in Deutschland können beide Partner vor allem dann Vollzeit-Plus (Vollzeit Plus Karriere) arbeiten, wenn
- Die Kinder auf dem Internat sind
- Man Großeltern hat, die immer einspringen
- Man sich zwei Kinderbetreuungen (back-up) leisten kann, die man (teilweise) aus versteuertem Einkommen bezahlt.
Also sehr selten.
Ich liebe es, vor Menschen zu reden, das fällt manchen Frauen leider schwer.
In diesen Rahmenbedingungen fragen wir also die Frauen, ob sie Karriere in unseren Unternehmen machen möchten. Wir haben in Deutschland nicht nur Rahmenbedingungen geschaffen, die aus der Alleinverdiener-Ehe definiert sind, wir haben zudem die Neigung zum erhobenen Zeigefinger und Schuldvorwürfen. Frauen wird oft vorgeworfen, dass sie egoistisch sind, wenn sie berufliche Karriere-Wege der Rolle als teilzeitarbeitende Vorzeige-Mutter vorziehen. Männern wird dies so gut wie nie vorgeworfen. Im Gegenteil, Männer, die beruflich zurückstehen und sich den Kindern und dem Haushalt widmen, werden oft belächelt. Und da wir Frauen es gerne Recht machen, werfen wir uns dies sowieso schon selbst oft genug vor.
Zum anderen leben Frauen gerne in einem harmonischen Umfeld und ihre Kommunikation findet überwiegend horizontal statt. Sie arbeiten am liebsten im Team und fühlen sich als wichtiges Mitglied einer Gemeinschaft. Je höher sie die Karriereleiter hinaufsteigen, desto mehr werden sie mit einer vertikalen Kommunikation konfrontiert. Sie verlieren durch eine herausragende Rolle ihren sozialen Anschluss in der Peer-Group. Hier müssen sie unangenehmen Entscheidungen treffen und Konflikte aushalten. Macht macht einsam, die Anerkennung für Frauen in Top-Führungspositionen, gepaart mit den (inneren) Vorwürfen, dem Rabenmutter-Image und der Überforderung durch die vielfältigen undelegierten Aufgaben, ergibt häufig eine Negativbilanz in der persönlichen Abwägung um ein Angebot.
Frauen befinden sich, wenn sie die Führungsposition annehmen, häufig in reiner Männergesellschaft. Dort herrschen andere Regeln. Die meisten Männer in diesen Reihen haben Frauen, die ihnen daheim den Rücken freihalten. Der Ton wird rauer, die Budgettöpfe heiß verteidigt und der Frust der Frauen weiter wird genährt. Gleichzeitig haben Frauen oft neue und innovative Perspektiven, die den (männlichen) Entscheidern häufig fremd sind. Mit ihren Themen dringen sie leider noch nicht durch. Frauen haben ein großes Gerechtigkeitsempfinden und stellen eine Sache über das eigene Ego (Ausnahmen bestätigen die Regel), damit sind sie oft nicht in der Lage, die strategische Kommunikation der Männer einzunehmen und ecken eher an. Dies führt zu weiterem Frust.
Also was können wir tun, um Frauen in unseren Unternehmen zu entdecken und zu motivieren, Führungsaufgaben anzunehmen?
- Wir können Rahmenbedingungen schaffen, in denen Frauen sich wohl fühlen. Das hat auch etwas mit der Kultur des Unternehmens zu tun, mit der Haltung zur Wertschätzung mit dem Ansatz der Fehlerkultur und der Offenheit für neue Wege.
- Es gilt, Flexibilität im Arbeitsalltag zu ermöglichen und eine Präsenzpolitik, die in einer Pflicht zu regelmäßigen Online-Termine besteht, zu hinterfragen.
- Je mehr Frauen wir bereits in der Führung haben, desto einfacher wird es. Denn glückliche Rolemodels ziehen andere Frauen nach.
- Eine Wertekultur, die Diversität stärkt und dabei meine ich nicht nur die Diversität Mann-Frau, eröffnet uns einen breiteren Arbeitsmarkt.
- Dazu müssen sich die Entscheider hinterfragen und offen für Veränderungen sein.
- Wenn wir die Frauen dabei unterstützen, in ihr Selbstvertrauen zu kommen, ihren Perfektionismus einzudämmen und in ihre Stärke zu kommen, wenn wir lernen, ihnen zuzuhören, auch wenn unsere Gehirne das erst einmal als Abweg von der Routine ablehnen, dann schaffen wir perfekte Rahmenbedingungen.
Und was machen wir mit den Männern daheim, die sich überholt fühlen? Die haben für sich ein neues Lernfeld und können lernen, loszulassen und zu genießen, wenn ihre Frauen die Verantwortung zur Versorgung der Familie mittragen.
Und den Frauen kann ich nur zurufen, macht es einfach, ihr werdet sowieso nicht allem gerecht, folgt euren Talenten, folgt euren Möglichkeiten, geht durch die Türen, die sich immer mehr öffnen, nutzt die Gunst der Stunde. Seid Vorbilder für die Frauen, die nach uns kommen, ehrt die Frauen und Männer, die uns diese Möglichkeiten hart erkämpft haben. Werdet wirksam und gestaltet diese Welt mit, sie braucht Euch mehr denn je. Und es wird einfacher, mit jeder Frau, die sich traut.
Habt ihr Lust, Euch zu diesen Themen auszutauschen oder noch mehr zu erfahren? Ich stehe für Vorträge Online und in Präsenz, sowie als Gesprächspartnerin gerne zur Verfügung. Einfach Kontakt aufnehmen unter: hallo@sinnplauderei.de
Ich wünsche euch viel Erfolg bei diesem Weg! Eure Nina
Literaturtipps und Quellen
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Peter Modler: Arroganzprinzip
Marion Knaths Spielregeln der Macht
Marion Knaths FrauenMacht!
Frauen, die die Wissenschaft veränderten
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