• Nina Hartmann
  • 21.10.2024

Der Petitesse-Effekt gegenüber Frauen

Themen, die durch die männliche Meinungsmehrheit nicht ernst genommen werden, werden bei Frauen oft heruntergespielt. Ich spreche dabei vom Petitesse-Effekt.

Der Petitesse-Effekt gegenüber Frauen

Petitesse-Effekt

Auch in heutiger Zeit noch erleben viele Frauen, dass ihre Meinung, ihre Fachkompetenz sowie ihre Interessen belächelt werden. Wir leben in der westlichen Welt zwar in einer Demokratie, gleichwohl leben wir auch in einer Welt, in der die Meinungsmehrheit das Recht für sich in Anspruch nimmt, Ton und Richtung anzugeben. Die Meinung und die Perspektiven anderer werden dabei heruntergespielt, belächelt oder ignoriert. Und auch wenn wir Frauen die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, so sind wir in den wichtigen Entscheidungsgremien immer noch in der Minderheit.

Der Petitesse-Effekt zeigt sich in Formen wie dem Mansplaining, bei dem Männer denken, Frauen Dinge erklären zu können, selbst wenn die Frauen häufig viel kompetenter sind. Allein das „Privileg“, ein Mann zu sein, befähigt sie unterbewusst dazu, es besser zu können. Wir erleben dies im sogenannten Manterrupting, bei dem Männer Frauen ins Wort fallen und sie nicht ausreden lassen. Den nach Ansicht des unterbrechenden Mannes „unnötige Zeitverschwendung“, diesen „unwichtigen“ Ausführungen zuzuhören, wird damit ein Ende bereitet. Dahinter steht die Haltung, dass Frauenthemen unwichtig und nicht zielführend sind. Also eine Petitesse, eine Bagatelle sind. Ich erlebe den Petitesse-Effekt auch von Frauen gegenüber anderen Frauen. Den Begriff habe ich ins Leben gerufen, weil mir in meinen Studien noch kein passender Begriff begegnet ist.

Während die vermeintlich „echten“ Themen, wie Sachthemen, Zahlen-Daten-Fakten, Erfolg, technische Produkte, Fußball, Autos, messbare Leistungen zum Beispiel im Vertrieb als wichtig empfunden werden, werden Softskills wie Führung, Kultur, Empathie, Impact Themen, Beziehungsthemen, Kunst, Natur, Tiere, etc. heruntergespielt. Dabei sind für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens viele dieser Aspekte wichtig. Für das Überleben der Menschheit sind diese Themen enorm wichtig. Sie dienen der Vermeidung von Umweltkatastrophen, Kriegen und der Lebensfreude der Menschen. Diese Themen beschäftigen viele Frauen und haben deswegen haben sie Platz und Raum am Tisch verdient.

Ich selbst erlebe in meinem familiären und beruflichen Umfeld sehr häufig den Petitesse-Effekt. Er hat mein Selbstbewusstsein stark ausgebremst und mir immer wieder das Gefühl gegeben, nicht richtig zu sein, nicht dazuzugehören, nicht für die richtigen Themen zu brennen. Ich bin sehr froh, dass ich im Verband deutscher Unternehmerinnen tolle Frauen kennengelernt habe, die mich mental unterstützen. Ich bin so unendlich dankbar, dass ich Myriam begegnet bin und wir für die gleichen Themen brennen. Und dann stellt sich immer wieder die Frage, wo werden wir von außen belächelt und wo hat sich die Stimme der Petitesse bereits in uns verselbständigt?

Mein Tipp an dieser Stelle: Macht euch innerlich frei. Ihr seid nicht euer Umfeld, ihr seid Individuen. Eure Gefühle, eure intrinsische Motivation sind wichtig für die Welt. Nehmt die Bewertungen anderen Menschen nicht so ernst, sucht euch Gleichgesinnte, geht in die Sichtbarkeit und steht mit geradem Rücken für eure Ideen. Auch in anderen Familienunternehmen erlebe ich häufig Frauen, die mit ihren Themen nicht ernst genommen werden. Häufig setzen sie sich für die sogenannten ESG-Faktoren (Environmental, Social and Corporate Governance) ein. Mittlerweile ist die Einhaltung dieser Faktoren, also die Belange der Umwelt, soziale Aspekte und die Einhaltung der Gesetze Aspekte guter Unternehmensführung geworden, die bei der Kreditvergabe der Banken eine große Rolle spielen. Immer mehr gelangen diese Themen also salonfähig zur Geltung. Durch die größere Anzahl von Frauen, sowie durch Männer, die ihre emotionalen Seiten leben wollen, durch den extrinsischen Druck des Klimawandels und durch ein gesellschaftliches Umdenken verändert sich die Wertung.

Es zeigt sich, dass diese Gedanken die ganzen Jahre schon so bereichernd gewesen wären, wenn sie ein Publikum gefunden hätten. Deswegen kann ich uns nur ermuntern, hört euch gegenseitig zu, ermuntert und stärkt euch, setzt euch mit Mindermeinungen auseinander, zeigt, dass vielfältige Perspektiven Brücken bauen, Lösungen schaffen und Unternehmen zum Erfolg bringen.

Eure Nina