• Nina Hartmann
  • 20.07.2025

Schwiegersohn und Rollenidentität

Warum es für weibliche Nachfolgerinnen so viel schwerer ist.

Schwiegersohn und Rollenidentität

Karriere vs. Care: Der Balanceakt des Schwiegersohns

Warum es für weibliche Nachfolgerinnen so viel schwerer ist – und wie ihr Mann seine Rolle findet

Wenn die Tochter führt, verschiebt sich nicht nur die Organigramm-Logik, sondern das ganze Beziehungssystem. Karrierepläne, Care-Arbeit, Geldflüsse, Reputation, Familienerwartungen – alles wird neu verhandelt. Und doch laufen viele dieser Aushandlungen im Off: ohne Sprache, ohne Verträge, ohne Rollenbewusstsein. Genau deshalb ist es für weibliche Nachfolgerinnen messbar schwerer, Ehe, Familie und Unternehmen in ein haltbares Gleichgewicht zu bringen – und deshalb bleiben rund ein Viertel der Nachfolger:innen weiblich.

In meinen Gesprächen und Beiratsmandaten sehe ich: Nicht Talent ist der Engpass, sondern Systemlogik. Dieser Artikel gibt Sprache, Rahmen und Handläufe – für Töchter, die führen, und Männer, die ihren Platz finden wollen.

 

Machtfrage Ehe: Wenn die Tochter führt

Wenn der Sohn übernimmt, darf seine Partnerin fast jede Lebensform leben – sie wird selten hinterfragt. Aber ihre Rolle ist auch nicht einfach. Schaut dazu den eigenen Blogartikel.
Wenn die Tochter übernimmt, wird ihr Mann plötzlich zum gesellschaftlichen Experiment:
Darf er Hausmann sein, reduzieren, mitführen – ohne Statusverlust?
Die Antwort ist oft noch: „nur bedingt“. Das hat Gründe:

  • Kulturelle Skripte: Führung = männlich, Care = weiblich. Diese Prägung wirkt selbst in modernen Unternehmerfamilien.
  • Erwartungsdichte: An die Tochter werden zwei Erfolgserzählungen geknüpft – die der kompetenten Chefin und der „idealen“ Mutter/Partnerin.
  • Invisible Load: Netzwerkpflege, Image-Arbeit, emotionale Moderation liegen häufiger bei ihr – zusätzlich zur Unternehmensführung.
  • Governance-Lücken im Privaten: Was im Unternehmen in Regeln gegossen ist, bleibt zuhause oft unbesprochen – bis es knirscht.

Konsequenz: Die Tochter trägt doppelt, der Mann balanciert zwischen Eitelkeit, Loyalität und echter Partnerschaft, die Schwiegerfamilie sendet gemischte Signale.

 

Modelle für ihn: Externer, Duo, Nachfolger

Es gibt drei erprobte Grundmodelle – jedes mit Chancen und Fallstricken. Entscheidend ist, dass ihr sie bewusst wählt und nicht hineinstolpert.

1) Der Externe

Er verfolgt eine eigene Karriere außerhalb des Familienunternehmens.
Chance: klare Rollen, eigenes Feld, geringere Konkurrenzdynamik.
Fallstricke: Wer stemmt Care & Social Load? Reduziert er Stunden, droht (immer noch) Stigma.
Hebel: formale Care-Aufteilung (Zeitbudgets!), Kinder- & Elterntermine als beidseitige Verantwortung, externe Entlastung und klare Wertschätzung dafür.

2) Das Führungs-Duo

Er bringt Kompetenz ein, ihr führt gemeinsam.
Chance: echtes Sparring, geteilte Last, höhere Resilienz.
Fallstricke: „Schattenwurf“-Ängste, unklare Zuständigkeiten, heimliche Rückdelegation von Care auf sie.
Hebel: Rollenmatrix (wer entscheidet final in welchem Feld?), gleichwertige Titel & Budgets, externe Moderation in Peak-Phasen, regelmäßige „Governance zuhause“-Retreats zu zweit.

3) Der Nachfolger

Er rückt nach, wenn sie (noch) nicht will/kann – oder übernimmt ein Teilunternehmen.
Chance: Kontinuität, klare Außenwirkung.
Fallstricke: Sie rutscht ungewollt in die unterstützende Rolle, Identitätskonflikte, Loyalitätsspannungen.
Hebel: Eigene Bühne für sie (Beiratsrolle, Projekte, Beteiligungen), faire Vergütung, sichtbare Kompetenzfelder statt „helfender Hand“.

 

Governance zuhause: Rollen, die haltbar sind

Gute Unternehmensführung scheitert oft an schlecht geführten Beziehungen. Deshalb: Bringt eure Partnerschaft auf Governance-Niveau – ohne Romantik zu verlieren.

5 konkrete Vereinbarungen:

  1. Rollen- & Entscheidungslogik: Wer entscheidet worüber – im Unternehmen, in Finanzen, in der Familie? Schriftlich, überprüfbar.
  2. Zeitbudgets: Arbeitszeit, Care-Zeit, Paar-Zeit. In Kalendern, nicht im Kopf.
  3. Geld & Rechte: Gehälter, Boni, Beteiligungen, Absicherung bei Trennung/Krankheit. Fair heißt: symmetrisch begründet, nicht „marktüblich gefühlt“.
  4. Sichtbarkeit: Wer repräsentiert wann? Welche Bühnen gehören ihr? Welche Presse/Verbände/Podien werden bewusst bespielt?
  5. Konfliktmechanik: Wer moderiert, wenn es festfährt – Coach, Beirat, externe Mediation? Vorher festlegen.

Partnerschaft ist Teil der Governance – nicht ihr Störfaktor.

 

Warum „Hausmann“ 2025 noch provoziert

Weil Status in vielen Milieus immer noch über Erwerbsarbeit codiert ist – besonders bei Männern. Der Hausmann kollidiert mit alten Männlichkeitsbildern und mit Außenblicken der erweiterten Familie. Und er triggert das Innere Patriarchat. Das muss man nicht gutheißen, aber aktiv managen:

  • Neucodierung von Status: Verantwortung für Kinder & Familie ist Leadership. Er als Role Model für eine moderne Welt.
  • Rituale & Sprache: Kein „er hilft“, sondern „er verantwortet“.
  • Bühnenwechsel: Sichtbarkeit für seine Rolle – z. B. Panels, Texte, LinkedIn-Posts zur Partnerschafts-Governance.
  • Netzwerk: Männerbündnisse, die Care normalisieren. Sparring mit anderen Schwiegersöhnen/Vätern.

 

Warum nur 1/4 der Nachfolger:innen weiblich sind – die echten Gründe

  • Doppelte Sollbruchstelle: Führung im Betrieb plus Care im Privaten – ohne formale Entlastung.
  • Signalpolitik: Kaum Rollenvorbilder in der Region/Branche; Veranstaltungen, die Männer als Default adressieren.
  • Beteiligungen & Verträge: Governance, die Töchter formal „mitmeint“, aber praktisch ausbremst.
  • Mentoring-Lücken: Zu wenig Sparring für Töchter und ihre Partner – insbesondere durch ältere Unternehmerinnen.
  • Inneres Drehbuch: Das „brave Mädchen“, das Harmonie sichert – statt Ansprüche zu stellen. (Daran arbeiten wir aktiv.)

Diese Hürden sind veränderbar, wenn ihr sie sichtbar macht – und architektonisch (nicht moralisch) löst.

 

Wie der Mann der Nachfolgerin seine Rolle finden kann – ein Leitfaden

  1. Selbstbild klären: Bin ich Externer, Duo-Partner oder Nachfolger – und warum? (Nicht „weil es sich ergeben hat“.)
  2. Kompetenzlandkarte: Welche Stärken bringe ich ein – fachlich, sozial, strategisch? Wo bin ich bewusst nicht zuständig?
  3. Pride-Work: Stolz nicht aus Dominanz, sondern aus Mitgestaltung und Verlässlichkeit beziehen.
  4. Care als Vertrag: Anteil und Zeiten fixieren; Qualität definieren (nicht nur „irgendwie helfen“).
  5. Schwiegerfamilie einbinden: Erwartungen einsammeln, übersetzen, Grenzen markieren – respektvoll, klar.
  6. Sichtbar werden: Eigene Bühne wählen (auch für Care/Partnerschaftsführung) – ohne ihre Sichtbarkeit zu verschatten.
  7. Supervision/Coaching: Früh starten, bevor Kränkungen sich verhärten.

 

Für die Praxis: Zwei Tools, die sofort helfen

  • Der Petitesse-Test für sie: Er zeigt, wo echte Stärke schlummert.
    → Mach den kostenlosen Test hier: https://www.ninahartmann.online/petitesse-test
  • Das Mini-Buch „Raus aus der Petitesse-Falle“ Es stärkt Präsenz, Grenzsetzung und die Klarheit, wofür du stehst – auch im Familienunternehmen.
    Mini-Buch: https://www.ninahartmann.online/minibuch

 

Mein Beitrag – im Beirat und in Kursen

Ich setze mich dafür ein, dass Rollenidentität & Sichtbarkeit fester Bestandteil eurer Familien-Governance werden:

  • Moderierte Rollen- & Ressourcen-Verhandlungen für Paare in der Nachfolge
  • Beiratsarbeit mit Klarheit zu Beteiligungen, Titeln und Absicherung
  • Trainings zu echten Fühlen (Voice/Horse Dialogue)
  • Begleitung bei Sichtbarkeits-Strategien für Töchter – und für die Männer an ihrer Seite

Ziel: Ein System, in dem Liebe nicht zur Logistik verkommt – und Führung nicht zur Einsamkeit.

Wenn ihr euch darin wiederfindet: Lasst uns sprechen. Für Rollen, die halten. Für Beziehungen, die stärken. Und für Unternehmen, die durch beide wachsen.