• Dr. Anna Meyer
  • 30.10.2023

Schwiegersöhne im Familienunternehmen

Schwiegersöhne in Familienunternehmen. Eine spezielle Rolle.

Schwiegersöhne im Familienunternehmen

Schwiegersöhne in Unternehmerfamilien

Während Ehefrauen von Unternehmernachfolgern auch heutzutage noch oft die gesellschaftlich traditionell geprägte Rolle als Ehefrau, Mutter und Hausfrau wahrnehmen, bieten sich Schwiegersöhnen in Unternehmerfamilien unterschiedliche Rollen und Chancen. Diese stehen in Abhängigkeit zur jeweiligen spezifischen Situation der Unternehmerfamilie, in die sie einheiraten.

Dafür gibt es aus meiner Sicht drei wesentliche Gründe:

  1. Unterschiedliche Sozialisationserfahrungen

Kinder werden in eine konkrete (soziale, kulturelle, wirtschaftliche und geographisch-klimatische) Lebenswelt hinein geboren und sie werden in ihrer Herkunftsfamilie, dann auch durch Peergroups, schulische Erfahrungen sowie im Arbeitsleben und durch Gesellschaft geschlechtsspezifisch sozialisiert und geprägt. Sozialisation und Prägung stellen einen wechselseitigen Prozess dar: ein Mensch wird durch Familie und Gesellschaft sozialisiert, nimmt durch sein Denken und Handeln jedoch selbst auch aktiv Einfluss auf die eigene Familie, Peergroups, berufliche Arbeitssituationen und Gesellschaft.

In der Folge übernehmen Frauen und Männer soziale Rollenzuschreibungen (role-taking) und gestalten diese auch aktiv, in dem sie für sich eines neues, anderes Rollenverständnis als das bisher tradierte entwickeln (role-making). 

  1. Patriarchal geprägte Gesellschaftsstrukturen

Die gesellschaftliche Situation in Westdeutschland war bis zum Jahr 1958 von der Dominanz des Ehemanns in Ehe und Familie geprägt. Diese wurde auch gesetzlich legitimiert. Erst seit 1958 sind Frauen berechtigt, ein eigenes Konto zu eröffnen und damit über ihr eigenes Geld zu verfügen. Bis 1977 durfte eine Ehefrau in der BRD nur dann berufstätig sein, wenn das mit ihren „Pflichten in Ehe und Familie“ vereinbar war.

Seit 1977 haben Frauen in Deutschland bezogen auf ihre Lebensgestaltung die Wahl zwischen einem Leben als Ehefrau, Mutter und Hausfrau und einem Leben als berufstätige Ehefrau, Mutter und Hausfrau, wobei vielen Frauen auch heute noch der sogenannte „Heiratsmarkt“ attraktiver erscheint als der „Arbeitsmarkt“ und die damit verbundene lebenslange berufliche Tätigkeit.

  1. Unterschiedliche Identitätsentwürfe von Frauen und Männern

In Familien werden tradierte soziale Rollenzuschreibungen an Mädchen insbesondere durch die Mütter an ihre Töchter und auch durch die Väter und deren Selbstverständnis im Umgang mit ihren Töchtern weitergegeben. Abhängig vom persönlichen Selbstverständnis und der Rollen, die die Mutter bzw. der Vater selbst vorleben, kann dies zur Folge haben, dass Mädchen sehr früh in ihrer persönlichen Entwicklung lernen, sich in ihrer persönlichen Identität über den Mann zu definieren und sich tradierten Rollenzuschreibungen anzupassen. Sie erhalten dafür Aufmerksamkeit, Zuwendung, Anerkennung, Zustimmung, Wertschätzung. Ohne dass es ihnen bewusst sein muss, internalisieren sie in ihrem Denken, Handeln und Körperempfinden, den patriarchal geprägten Blick auf sich selbst. Dieser wird dann wesentlicher Teil ihrer persönlichen Identität, ihres Selbstbildes und Selbstwertes. In der Folge bleiben sie sich selbst und ihren eigenen Bedürfnissen, Interessen und Neigungen fremd und stellen sich aktiv als Objekt zur Verfügung, z.B. indem sie sich z.B. auf ihr Aussehen reduzieren oder sich für die Erfüllung der Bedürfnisse und Interessen anderer zur Verfügung stellen.  

Männer sind traditionell durch ihre Sozialisation in der Familie, in Peergroups, beruflich und auch gesellschaftlich von Geburt an darauf konditioniert, als Erwachsene die Rolle des Ernährers und Versorgers der Familie wahrzunehmen. Beruf und Familie sind Teil ihres individuellen Selbstverständnisses und ihrer persönlichen Identität.

So beschreibt auch Jutta Allmendinger die aktuelle Situation: „Traditionell sehen wir noch immer den Mann als Familienernährer, der 40 Stunden erwerbstätig ist. Und die Frau, die ihm dies ermöglicht, indem sie mindestens ebenso lange zu Hause produktiv tätig ist. Beides gehört also zusammen. Mittlerweile arbeitet die Frau zudem meist Teilzeit, 18 oder 20 Stunden“.

Welche Rollen bieten sich für Schwiegersöhnen in Unternehmerfamilien?     

  1. Berufliche Tätigkeit und Karriere des Schwiegersohns außerhalb des Familienunternehmens

    In Unternehmerfamilien ist es heute selbstverständlich, dass der Schwiegersohn einer beruflichen Tätigkeit nachgeht und zielgerichtet seine Karriere plant und verfolgt. Ein beruflich erfolgreicher Schwiegersohn ist Teil des Selbstverständnisses und des Bildes, das die Unternehmerfamilie auch gesellschaftlich repräsentieren möchte. Deshalb besteht auch die Bereitschaft, Schwiegersöhne in ihren unternehmerischen Engagements finanziell zu unterstützen. Ein Schwiegersohn, der ausschließlich die Rolle als Ehemann, Vater und Hausmann an der Seite der erfolgreichen Unternehmernachfolgerin wahrnimmt, wirkt befremdlich und ist nicht erwünscht.

Die Folgen für die Kindererziehung und die Hausarbeit: abhängig vom zeitlichen beruflichen Engagement des Schwiegersohnes und dem der Unternehmertochter teilen sich die Eheleute die Verantwortung für Kindererziehung und Haushaltsführung und engagieren zur persönlichen Entlastung professionell ausgebildetes Personal zur Unterstützung in der Kinderbetreuung und der Haushaltsführung. Oft unterstützen auch die Großeltern aktiv.

Vielfach lässt sich auch die Situation beobachten, dass die Unternehmertochter scheinbar wie selbstverständlich sowohl die Nachfolge in der Unternehmensführung erfolgreich wahrnimmt und auch die Hauptverantwortung für die Erziehung und Betreuung ihrer Kinder sowie die Haushaltsführung übernimmt. Hier wird das traditionelle Rollenverständnis der Ehefrau und Mutter fortgeführt, verbunden mit der Übernahme der Nachfolge im Unternehmen und dem hohen Risiko der persönlichen Überforderung der Frau.  

  1. Schwiegersohn und Ehefrau/Unternehmernachfolgerin führen das Unternehmen partnerschaftlich gemeinsam auf Augenhöhe

    Frauen, die als Unternehmernachfolgerinnen ein Unternehmen führen, sind offen und bereit, die Verantwortung für die Unternehmensführung auch gemeinsam mit ihrem Ehemann zu teilen, wenn dieser die erforderlichen persönlichen und unternehmerischen Kompetenzen mitbringt. Die Unternehmensführung findet dann partnerschaftlich und auf Augenhöhe statt.

Im Idealfall teilen sie sich dann die Zeit für die Betreuung und Erziehung der Kinder sowie die Care-Arbeit und delegieren häusliche Tätigkeiten an qualifizierte externe Dritte. In der Praxis ist auch hier zu beobachten, dass die Hauptlast der Kinderbetreuung sowie die Führung gemeinschaftlichen Haushalts und die soziale Kontaktpflege dann von den Männern gern den Frauen überlassen wird.     

 

  1. Der Schwiegersohn als Unternehmernachfolger im Familienunternehmen

Unternehmerfamilien, die eine dynastische Unternehmensnachfolge anstreben, präferieren die Gestaltung der Nachfolge aus den Reihen der eigenen Familie.

Es gibt Situationen, in denen aus ganz unterschiedlichen Gründen, keine geeignete Nachfolgerin bzw. Nachfolger aus der Familie zur Verfügung steht. Hier eröffnet sich für kompetente Schwiegersöhne die Chance, diese Rolle auszufüllen. Voraussetzung ist das vollumfängliche Vertrauen des übergebenden Unternehmers bzw. der Unternehmerin sowie aller Mitglieder der Unternehmerfamilie.

Erweisen sich die Schwiegersöhne dann in der der Gestaltung der Unternehmernachfolge als kompetent und erfolgreich, sind sie sowohl in der Familie als auch im Familienunternehmen anerkannt und wertgeschätzt. Dieser Erfolg wird oft auch mit der Übertragung von Unternehmensanteilen verknüpft. Schwiegersöhne sind dann mit allen Rechten und Pflichten eines leiblichen Abkömmlings ausgestattet.

Die Unternehmertochter und Ehefrau des erfolgreichen Schwiegersohns geht ihren eigenen beruflichen Neigungen und Talenten nach und übernimmt die Rolle als Ehefrau, Mutter und Hausfrau.

Historischer Rückblick:

1958 trat in der Bundesrepublik Deutschland das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Kraft. Nun hatte der Mann zumindest nicht mehr in allen Eheangelegenheiten das letzte Wort. Bis dahin verwaltete er das von seiner Frau in die Ehe eingebrachte Vermögen, die daraus erwachsenden Zinsen und das Gehalt, das seine Frau verdiente.

Bis 1958 konnte ein Ehemann das Dienstverhältnis seiner Frau entscheiden – das heißt, es lag bei ihm, ob sie arbeiten durfte und wenn er seine Meinung ändern sollte, konnte er auch jederzeit das Arbeitsverhältnis seiner Frau kündigen. Auch das änderte sich mit dem Gleichberechtigungsgesetz von 1958. Aber: Noch bis 1977 durfte eine Frau in Westdeutschland nur dann berufstätig sein, wenn das “mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar” war. Aufgaben im Haushalt und in der Kindererziehung waren also klar der Frau zugeordnet.

Erst 1977 trat das erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts in Kraft. Demzufolge gab es keine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung in der Ehe mehr. Seitdem wird im Falle einer Scheidung nicht mehr nach Schuld gesucht, sondern es gilt das sogenannte Zerrüttungsprinzip. Das heißt, der Ehepartner, der nach der Scheidung nicht mehr für sich selbst sorgen kann, hat Anspruch auf Unterhalt des Ex-Partners.

Quelle