• Dr. Anna Meyer
  • 20.09.2023

Unternehmer-Ehefrauen

Die Rolle der angeheirateten Frau im Familienunternehmen ist speziell.

Unternehmer-Ehefrauen

Unternehmer-Ehefrauen – wie finden sie ihre Rolle im Unternehmen?

 Die existentielle Bedeutung der Unternehmerfamilie für das Familienunternehmen

Unternehmerfamilie und Familienunternehmen sind zwei soziale Systeme, die sich wechselseitig bedingen. Das eine gibt es nicht ohne das andere. Familie und Unternehmen folgen jeweils unterschiedlichen Regeln. Der Erfolg eines Familienunternehmens hängt wesentlich von den Fähigkeiten, dem Wissen und den Erfahrungen der Mitglieder der Unternehmerfamilie ab, Unternehmen und Familie kompetent zu führen. Ein kooperatives und vertrauensvolles Miteinander ist eine wesentliche Bedingung für den Erfolg des Familienunternehmens. Streit in der Familie gefährdet das Unternehmen existentiell.

Bezogen auf die Unternehmerfamilie bedeutet dies, das Miteinander und die innerfamiliäre Arbeitsteilung incl. der daraus resultierenden Rollen, den Bedürfnissen und den Interessen des Unternehmens entsprechend zu gestalten. Dabei müssen die Interessen, Bedürfnisse und Ziele der Familienmitglieder mit denen des Unternehmens ausgehandelt werden.

In einem solchen Prozess der Aushandlung gilt es zu berücksichtigen, dass das soziale System „Unternehmerfamilie“ anderen Mustern und Regeln folgt als das soziale System „Familienunternehmen“.

Hineingeheiratet in eine Unternehmerfamilie – die Rolle der Unternehmer-Ehefrau

Eine Frau, die sich entscheidet, den Nachfolgeunternehmer eines Familienunternehmens zu heiraten, und selbst nicht aus einer Unternehmerfamilie stammt, macht die Erfahrung, dass sie eine Ehe mit ihrem Mann eingeht und dass sie zugleich (in) eine Unternehmerfamilie (ein)heiratet. Mit der Heirat ist sie Teil der Unternehmerfamilie. Damit verbunden sind ausgesprochene oder auch unausgesprochene wechselseitige Erwartungen (der Unternehmerfamilie auf der einen Seite und der Ehefrau und des Ehemanns auf der anderen Seite), wie die Ehefrau als eingeheiratetes Familienmitglied ihre Rollen in der Unternehmerfamilie ausfüllen und ausüben soll. Diese beziehen sich auf die Rollen als Unternehmer-Ehefrau, als Mutter, als Schwiegertochter oder auch als Schwägerin bzw. Tante in der Unternehmerfamilie.
Empfehlenswert ist es, dass diese Erwartungen bereits vor der Eheschließung konkret formuliert und miteinander ausgehandelt werden. In neuen Situationen des Lebensphasenzyklus der Unternehmerfamilie können sie entsprechend angepasst werden. 

Das traditionelle Rollenmodell einer Unternehmer-Ehefrau:

Auch in der Gegenwart wird in vielen Unternehmerfamilien von den handelnden Personen ein traditionell geprägtes familiäres Rollenmodell für Unternehmer-Ehefrauen und komplementär dazu für den Ehemann (Unternehmer-Nachfolger) favorisiert. 

 Dabei besteht die Erwartung bzw. das wechselseitige Einvernehmen, dass die Unternehmer-Ehefrau:

  • Als Ehefrau ihrem Mann den Rücken freihält, damit dieser sich voll auf seine Rolle als Chef des Unternehmens konzentrieren kann.
  • als Ehefrau an der Seite ihres Mannes die Unternehmerfamilie im Unternehmen und in der Gesellschaft positiv repräsentiert. In diesem Zusammenhang übernimmt sie dann aktiv repräsentative Aufgaben in der Rolle als Unternehmerehefrau (z.B. in Verbänden, sozialen Einrichtungen, Sportveranstaltungen etc.). Damit nimmt sie für das Familienunternehmen eine relevante informelle Rolle wahr;
  • ihrem Mann als Sparringspartnerin aktiv beratend Seite steht – in allen Themen, die ihn familiär und unternehmensbezogen beschäftigen;
  •  Gemeinsame Kinder zur Welt bringen, damit die Zukunftsfähigkeit der Unternehmerfamilie und die des Familienunternehmens auch für die nächste Generation sichergestellt ist (dynastisches Familienverständnis). Oft besteht der Wunsch nach mehreren Kindern, um eine Auswahl aus mehreren potentiellen Nachfolger/innen zu ermöglichen.
  • Kinder als Unternehmerkinder zielgerichtet erzieht – als potentielle Unternehmensnachfolger/innen
  •  als Hausfrau einen Unternehmerhaushalt führt und diesen als charmante und kompetente Gastgeberin repräsentiert.
  •  sich in der Freizeit sportlich oder künstlerisch oder auch sozial engagiert;
  • einem eigenen beruflichen Engagement nur nachgeht, wenn das der Unternehmerfamilie entsprechend standesgemäß ist und dieses Engagement im Einklang mit den Interessen der Unternehmerfamilie steht.

Die Unternehmer-Ehefrau als Fach- bzw. Führungskraft im Familienunternehmen?

Abhängig von Ausbildung/Studium sowie von Fach- und Führungserfahrungen kann eine Ehefrau im Familienunternehmen in einer Fach- und Führungsfunktion einen wertvollen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Die Voraussetzung dafür ist, dass sie sich in die Familien- und Unternehmenskultur und die bestehende hierarchische Organisation integriert. Sie muss die Bereitschaft und die Fähigkeit besitzen, mit allen Familienmitgliedern, die ebenfalls im Unternehmen arbeiten, konstruktiv und vertrauensvoll zu kooperieren. Sie darf nicht in Wettbewerb mit ihrem Mann, dem Unternehmernachfolger, oder mit anderen Familienmitgliedern, die ebenfalls im Unternehmen arbeiten, treten. 

Die Ehefrau als gleichwertige Mitunternehmerin und auf Augenhöhe mit dem/den Nachfolgeunternehmern ist ebenso möglich, in der Praxis von Mehrgenerationenfamilienunternehmen aktuell selten.

 Welche Gegenleistung bietet die Unternehmerfamilie der Ehefrau - als Ausgleich für ihr familiäres Engagement?

  • Die Mitgliedschaft in einer Unternehmerfamilie und damit einen sozialen Status als Unternehmerehefrau, der gesellschaftlich Anerkennung findet
  • Ein Leben im Wohlstand: sowohl finanziell, als auch materiell

Die Unternehmerehefrau als Ressource und Bereicherung für die Unternehmerfamilie

Solange sich die Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse der Unternehmerfamilie bezogen auf die Rollengestaltung der Unternehmerehefrau mit den persönlichen Bedürfnissen, Interessen und Zielen der Frau decken, die in die Familie einheiratet, sind die geschlossenen Ehen stabil und das neue Familienmitglied eine Bereicherung für die Unternehmerfamilie und das Familienunternehmen.

Wo liegen die Risiken dieses Rollenmodells für die Unternehmer-Ehefrau und für die Familie?

  • Die Schwiegertochter begibt sich in eine materielle und finanzielle Abhängigkeit von der Unternehmerfamilie.
  • Sie bindet ihren persönlichen Selbstwert an ihren sozialen Status als Ehefrau eines (erfolgreichen) Unternehmers und begibt sich damit in eine emotionale Abhängigkeit.
  • Die Konzentration auf die Rolle als „Mutter“ und die Bindung des persönlichen Selbstwerts an eine „erfolgreiche“ Erziehung von Unternehmerkindern, überhöht die „Mutterschaft“ und benutzt die Kinder als Mittel zum Zweck im doppelten Sinne: Kinder sind dann kein „Selbstzweck“ mehr, sondern sie werden bereits vor ihrer Zeugung und Geburt als potentielle Nachfolger/innen verplant und sie dienen der Mutter/Unternehmerehefrau zur Befriedigung ihrer emotionalen Bedürfnisse. Die Erziehung wird dann auf diesen doppelten Zweck hin ausgerichtet. Die Kinder sollen beide Erwartungen erfüllen, was diese in Dilemmata führt und bewusst/unbewusst unter Druck setzt, Aufträge zu erfüllen, die nicht ihren persönlichen Bedürfnissen, Neigungen oder Potentialen entsprechen.   
  • Die Konzentration auf Familie kann dazu führen, dass fachliche, soziale und unternehmerische Kompetenzen, die in Ausbildung, Studium und Beruf erworben wurden, verkümmern, sofern keine Berufsausübung oder Mitarbeit im Unternehmen erfolgt.
  • Aufgrund ihrer Anpassung an die Bedürfnisse und die Kultur der Unternehmerfamilie entfremdet sich die Frau von ihren eigenen ursprünglichen Fähigkeiten, Talenten und Potentialen, Bedürfnissen und Interessen.
  • Enttäuschte Erwartungen auf beiden Seiten (Unternehmerfamilie, Ehefrau und Ehemann) und damit einhergehende Interessen-, Ziel- und Rollenkonflikte, wirken sich negativ auf die Unternehmer-Ehe aus. Sie gefährden auch das kooperative Miteinander in der Unternehmerfamilie. Die Auswirkungen zeigen sich auch in einer belasteten Zusammenarbeit im Familienunternehmen, selbst wenn die Ehefrau dort selbst nicht aktiv tätig ist, sondern „nur“ in einer informellen Rolle mitwirkt.