• Nina Hartmann
  • 21.10.2024

Der Petitesse-Effekt im Familienunternehmen

In der Unternehmerfamilie steht das Familienunternehmen im Vordergrund. Andere Themen werden oft nicht wertschätzend erkannt.

Der Petitesse-Effekt im Familienunternehmen

Der Petitesse-Effekt im Familienunternehmen

Im Gegensatz zum Impostor-Syndrom (auch Hochstapler-Syndrom genannt), bei dem Menschen sich selber als Mogelpackung empfinden, gibt es noch eine ganz andere Form der nichtverdienten Geringschätzung. Sie hatte bislang noch keinen richtigen Namen und ich habe sie „Petitesse-Effekt“ getauft. Themen, die durch die Meinungsmehrheit nicht ernst genommen werden, werden oft heruntergespielt. Sie werden als Bagatelle angesehen. Als relevante Meinungsmehrheit in diesem Zusammenhang generiert sich eine Quote von ca. 70% und mehr. Häufig begegnet der Petitesse-Effekt Frauen zum Beispiel in der Gremien-Arbeit immer dann, wenn die magische 30%-Schwelle noch nicht erreicht ist. Darüber habe ich einen eigenen Blogartikel geschrieben.

Den Petitesse-Effekt erlebe ich aber auch häufig in Familienunternehmen. Viele Menschen, die im Familienunternehmer-Kontext aufgewachsen sind wissen, dass in einer Unternehmerfamilie eigene Werte und Regeln gelten. Die Familie lebt für das Unternehmen und das Unternehmen ernährt die Familie. Und so sitzt das Familienunternehmen mit am Tisch und erfordert eine ständige Aufmerksamkeit. Alle Themen rund um das Familienunternehmen werden von einem Großteil der Familie als wichtig angesehen. Themen außerhalb des Familienunternehmens unterliegen oft dem Petitesse-Effekt. Das führt teilweise dazu, dass die Familie die Augen vor den tatsächlichen Fähigkeiten von einzelnen Familienmitgliedern verschließt und ihnen das Gefühl vermittelt, das "schwarze Schaf" der Familie zu sein. Für diese Familienmitglieder ist es schwierig, in ihrem Leben Fuß zu fassen, da der Gegenwind der Familie lebenslang präsent ist.

Aus objektiver Sicht, stellen diese Familienmitglieder jedoch häufig mit ihren speziellen Interessen und Talenten eine Bereicherung der Großfamilie dar. Je nach Größe und Existenzlaufzeit des Familienunternehmens sind die Toleranz-Bandbreiten völlig unterschiedlich. Ich empfehle bei meinen Beratungen immer jeden seine Lebensfreude finden zu lassen. Es kann sein, dass Teile der Familie musikalisch oder künstlerisch begabt sind, dass sie sozial engagiert sind oder eine besondere Leidenschaft für die Natur und Tiere haben. Natürlich ist es wichtig, dass sie auch die Verantwortung sehen, die ein Familienunternehmen mit sich bringt und dass sie dankbar dafür sind, dass sie eventuell auch auf Kosten des Familienunternehmens ihre Neigungen leben dürfen. Gleichzeitig sollten auch die Menschen, die das Familienunternehmen operativ leiten und übernehmen, Wertschätzung gegenüber den anderen Menschen der Familie zeigen. Oft stehen Gespräche rund um das Familienunternehmen, wie Sorgen, Nöte und Freude des unternehmerischen Alltags im zentralen Mittelpunkt auch emotionaler Aufmerksamkeit. Damit werden die Mitglieder der Familie, die das Familienunternehmen führen, auf vielfältigen Ebenen honoriert.

Gemeinsame Werte und eine Kultur des Vertrauens kann eine solche Toleranzkultur stützen.

Es macht großen Sinn, alle Familienmitglieder in den Familienbund mit einzubringen. Eine Family Governance kann in so einem Bereich helfen, aber auch Mediation oder konstruktive Gespräche fördern die Toleranzkultur. Ein offener Blick auf verschiedene Perspektiven bereichert die Familiengemeinschaft und erspart viel Streitigkeiten und Ärger.