• Nina Hartmann
  • 07.09.2023

Gendern, Ganztagesschule, Gender-Bias

Gendern und gleichberechtigten Teilhabe der Frauen am Wirtschaftsleben.

Gendern, Ganztagesschule, Gender-Bias

Gendern, Ganztagesschule, Gender-Bias

Die 3 G für die Gleichstellung

Das Thema Gendern polarisiert, wie so viele andere Themen in Deutschland. Und wie so oft hierzulande, versuchen wir es mit Perfektionismus und verlieren vor lauter Elan das eigentliche Ziel vor Augen. Worte schaffen Bilder und Bilder schaffe Realitäten. Insofern halte ich es für wichtig, die weibliche Form überall dort zu verwenden, wo Bilder geschaffen werden, die für die Gleichstellung der Frau wichtig sind. Und gut, das Gendern dient auch dazu, rollenspezifische Festlegungen zu vermeiden. So sprechen wir leider noch immer von der Krankenschwester, dem Mutter-Kind-Turnen.

„Gendern bedeutet geschlechtergerechte Sprache. Mit dem geschlechterbewussten Sprachgebrauch soll die Gleichbehandlung aller Geschlechter/Identitäten zum Ausdruck gebracht werden. Im Deutschen wird bis heute meist das generische Maskulinum verwendet, also die männliche Variante. Personen und Berufe werden grammatisch männlich bezeichnet, obwohl es in aller Regel auch eine weibliche Wortform gibt. Gendern kann man durch drei Varianten: Nennung beider Geschlechter (Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer), Geschlechtsneutrale Bezeichnung (z.B. Führungskraft) und Genderzeichen.“

Quelle: Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg

Genau wie die Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg benutze ich am liebsten beide Geschlechter oder die neutrale Sprache. Eine Genderpflicht gibt es nicht. Gleichwohl eine moralische Erwartung und diese halte ich oft für übertrieben, da nicht zielführend.

Schöne Darstellung aus 2012 mit folgender Einleitung: „Sprache beeinflusst unser Denken ebenso wie unser Denken die Sprache gestaltet. Sprache und das geschriebene Wort sind Instrumente, Denk- und Wahrnehmungsmuster zu prägen und neue Denk- und Handelsweisen zu fördern, etwa im Zusammenhang der Gleichberechtigung von Frauen und Männern.“  Quelle

Gesprochene Sprache – Bildsprache

Wie bei den Worten sprechen auch die Bilder eine eigene Sprache. Wenn auf den Fotos vor allem Männer und Menschen ohne sichtbaren Migrationshintergrund abgebildet werden, werden Menschen, die den Bildern nicht entsprechen eher abgeschreckt beziehungsweise nicht mit diesen Rollen verknüpft. Unbewusst beeinflusst uns dies bei Einstellungsprozessen und bei unseren eigenen Entscheidungen. Dabei dürfen wir nicht verkennen, dass die rechtliche Gleichberechtigung von Männern und Frauen noch gar nicht so alt ist.

Geschichte der rechtlichen Gleichberechtigung in Deutschland

Spannend wie ein Krimi liest sich die Gesetzgebungsentwicklung bezüglich der Gleichstellung im Grundgesetz (1949) mit Übergangsregelung, des Gleichberechtigungsgesetz von 1957 mit harter Diskussion über den Verbleib des Stichentscheids des Mannes (pro CDU, Contra FDP und SPD), hart umkämpft war auch die Einführung der Zugewinngemeinschaft (1958), heiß diskutiert und letztendlich erfolgreich war auch das Recht der Frau auf Erwerbstätigkeit (erst seit 1977!) ebenfalls 1977 wurde die Aufgabenverteilung in der Ehe abgeschafft, 1994 wurde dann Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes um folgenden Passus ergänzt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Im gleichen Jahr trat das zweite Gleichberechtigungsgesetz in Kraft, das unter anderem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern sollte. 2006 kam dann das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Quelle: Bundstagsarchiv

Sehr eingesetzt haben sich dabei die Mütter des Grundgesetzes.

Die tatsächliche Gleichstellung

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind also Stück für Stück im Laufe der Jahre geschaffen worden. Bis heute haben wir es allerdings nicht geschafft, die Ganztagesschule in Deutschland zu etablieren und leben faktisch immer noch die meiner Meinung nach veraltete Aufgabenverteilung in der Ehe. Das Wort „Rabenmutter“ (YouTube Video) gibt es nur bei uns in Deutschland. Das traditionelle Familien- und Frauenbild in Deutschland verhindert faktisch eine gleichberechtigte Teilhabe an der Erwerbstätigkeit, kümmert sich im Gegenzug aber auch nicht um die Altersversorgung der Frauen. Der Gender-Pension-Gap der Frauen liegt laut statistischem Bundesamt bei 29,9 % Quelle

Tolle Zusammenfassung der Ganztagesschule im europäischen Vergleich:

Die Geschichte der Ganztagesschule in Deutschland.

Reicht Gendern?

Natürlich nicht, es ist fast zu einer Stellvertreterdiskussion geworden, welches am Thema vorbeigalloppiert.

Bei dieser ganzen Gender-Diskussion fehlt mir der Blick auf das große Ganze. Mit der gnadenlosen Gendersprache schütten wir „das Kind quasi mit dem Bade aus“, verändern aber nichts an dem Gesamtgebilde, welches durch Rahmenbedingungen, Glaubenssätzen und veralteten Rollenbildern dazu führt, dass Frauen nicht in die gutverdienenden Positionen, in die Sichtbarkeit und an die Macht kommen und teilweise (auch aus schlechtem Gewissen und fehlender Vereinbarkeit) nicht wollen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Frauenquote und das Gender-Thema geradezu benutzt werden, um eine faktische Gleichstellung zu verhindern. Beides eigentlich sinnvolle Themen, die dermaßen polarisieren, dass sie fast schon als verbrannt gelten können.

Mein Bestreben beim Gebrauch der deutschen Sprache liegt schwerpunktmäßig in der Wertschätzung und dem Ermöglichungsgedanken für Frauen. Das kommt daher, dass ich durch den Verband deutscher Unternehmerinnen und encourageventures in diesem Thema unterwegs bin. Die Sichtbarkeit von Frauen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ist zu meinem Herzensthema geworden. Und dies beinhaltet auch alle diversen Menschen. Aber auch für Männer setze ich mich in meinen Ämtern sehr ein. Gerade die Inhaber von KMUs haben große Themen zu bewältigen. Diese liegen aber weniger in der deutschen Sprache, als vielmehr in den deutschen und internationalen Rahmenbedingungen. Wir Frauen stoßen in den Wirtschaftskreisen ständig an das Genderthema. Wir stoßen aber mindestens so häufig an das Gender-Bias-Thema.

Was ist Gender Bias?

"Gender bedeutet das sozial wahrgenommene oder zugeschriebene Geschlecht, Bias bedeutet Voreingenommenheit oder Verzerrung. Gender Bias beschreibt damit eine Vielzahl von Diskriminierungsmomenten, Schieflagen oder Vorurteilen, die alle auf Ungleichheiten zwischen Geschlechtern beruhen. In dem unten aufgeführten Artikel wird das Ausmaß dieses Aspektes beleuchtet, der meiner Meinung nach viel weitreichender ist, als das Gender-Thema." Quelle

Mein Fazit - Wo liegt die Lösung?

Wenn wir mit der richtigen Haltung und Wertschätzung an die Themen herangehen, dann ist eigentlich alles klar. Andere Länder haben es uns vorgemacht. Die Ganztagesschule führt dazu, dass mehr Frauen in Vollzeit oder vollzeitnah berufstätig sind. Sie führt auch dazu, dass soziale Unterschiede bei der Bildung von Kindern abgeschwächt werden. Wenn wir die Sicht der Frau (und ich bin eine Frau und mir ist diese Sicht wichtig!) einmal völlig außer Acht lassen, und aus Sicht der Wirtschaft auf diese Situation blicke, dann ist die Rechnung sonnenklar. Wir brauchen die Ganztagesschule, damit wir die gut ausgebildeten Frauen auf dem Arbeitsmarkt haben. Und wir brauchen die Ganztagesschule, damit wir allen Kindern ungeachtet ihrer Herkunftsfamilie eine Chance auf Bildung verschaffen. Und diese gebildeten Kinder sind unsere Arbeitskräfte von morgen. Wir haben also zwei große Ventile gefunden, die dem Arbeitsmarkt gute Arbeitskräfte verschaffen. Und nebenbei führt dies Stück für Stück zu gleichberechtigter Teilhabe der Frauen und der Menschen aus bildungsfernen Familien. Und dies führt zu role models und diese führen wiederum zu einem veränderten Gender- Bias und damit wird sich auch die Sprache anpassen. Und am Schluss brauchen wir alles drei. Ganztagesschule, wertschätzende Sprache, aufgelöste Glaubenssätze und eine Haltung, die gleichberechtigter Teilhabe entspricht und zwar nicht nur der Frauen, sondern aller Menschen, die nicht dem klassischen Rollenprofil entsprechen.

Habt ihr Lust, Euch zu diesen Themen auszutauschen oder noch mehr zu erfahren? Ich stehe für Vorträge Online und in Präsenz, sowie als Gesprächspartnerin gerne zur Verfügung. Einfach Kontakt aufnehmen unter: hallo@sinnplauderei.de

Ich wünsche Euch ganz viel Spaß und Erfolg beim Umsetzen!

Eure Nina