• Nina Hartmann
  • 20.09.2023

Globale Ernährung

Die globale Ernährung ist der größte Hebel für die Zukunft unseres Planeten.

Globale Ernährung

Globale Ernährung – Welchen Einfluss hat sie auf unsere Zukunft, was können wir tun?

Am 14. und 15. September waren wir zu den Metzler Spots eingeladen. Eine Veranstaltungsreihe der Metzler Bank, die die Megatrends unserer Zeit beleuchten. Ich bin inspiriert wieder nach Hause gefahren. Mir sind viele Zusammenhänge klargeworden und ich habe es genossen, echte Kompetenz und wirkliches Interesse an den globalen Herausforderungen in einem wunderbaren Ambiente erleben zu dürfen.

Mein Blogartikel beruht auf den Berichten der hochkarätigen Referenten des Events:

Hanni Rützler, Foodtrend-Expertin, Gründerin und Leiterin des futurefoodstudios

Dr. Martin Frick, Direktor des UN-Welternährungsprogramms (WFP) der Vereinten Nationen

Jassine Ouali, Mitglied der Geschäftsleitung, Lidl Deutschland

Julius Palm, Strategie & Marke, stellvertretender Geschäftsführer, followfood GmbH

Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese, Direktorin Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Professorin Goethe-Universität Frankfurt

Durch die Veranstaltung führte ganz wunderbar Yve Fehring, Journalistin und Moderatorin.

Es ging um die Themen Biodiversität, Globale Ernährung, Landwirtschaft, Handel und vieles mehr.

Status Quo

Auf der einen Seite hat die Coronazeit viele Menschen dazu gebracht, selbst mit dem Kochen anzufangen. Der Bezug zu Lebensmitteln ist größer geworden.

Auf der anderen Seite haben wir weltweit die größte Hungerskrise seit dem zweiten Weltkrieg. 345 Millionen Menschen sind weltweit akut hungergefährdet. 825 Millionen Menschen auf der Welt haben Hunger. Und Hunger ist nicht nur an sich schlimm, er ist auch eine Basis für politische Instabilität. Dabei waren wir weltweit seit dem zweiten Weltkrieg auf einem guten Weg. Bis 2019 hatte man den Eindruck, dass man das Thema Hunger in der Welt lösen kann. Jetzt stehen wir an einem Punkt, der von verschiedenen Faktoren geprägt ist.

Wir haben doppelt so viele Kriege, wie noch vor 10 Jahren.

Covid hat weltweit einen großen wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Wir haben dutzende Länder, die extrem überschuldet sind und deren Währung dahinschmelzt.

Über 60 Ländern in der Welt sind von starker Inflation geprägt.

Dazu kommt die Klimakrise, die manche Dinge noch verstärken wird.

Im Rahmen der Veranstaltung hat jemand zu mir gesagt: „Wir müssen etwas ändern!“

Ich glaube das ist der falsche Ansatz. Wir arbeiten in Deutschland zu viel mit der Apell Funktion.  Wir suchen Schuldige, sprechen Verbote aus und gehen mit erhobenem Zeigefinger umher. Wir verlieren uns in vermeintlichem Aktionismus und überall ist das Thema Angst präsent. Was erreichen wir damit? Gerade nach der Coronazeit, in der wir alle massiven Eingriffen in unserem privaten und beruflichen Leben ausgesetzt waren, haben viele Menschen keine Lust mehr auf Verbote. Sie reagieren mit Trotz und Ignoranz. Es ist für viele schwer, wieder in eine Balance im Leben zu finden und sich mit den veränderten Rahmenbedingungen nach Corona neu zu definieren. Finanzielle Sorgen und Hoffnungslosigkeiten kommen in vielen Haushalten dazu. Und jetzt sollen sie auch noch schuld an allem sein?

Verzichtserwartungen und moralisches Aposteltum ist meiner Meinung nach der falsche Weg. Davon bin ich überzeugt. Und es hat mich gefreit, dass Hanni Rötzler dies auch immer wieder betont hat. Wir sollen nicht den Verzicht predigen, sondern Lösungen aufzeigen. Es wird immer Fleisch geben, die Frage ist, wie oft und von welcher Herkunft.

Also was können wir tun und wie können wir wirklich etwas erreichen?

14 Millionen Menschen leben allein in Deutschland an der Armutsgrenze. Ein Bürgergeldbezieher hat € 5,75 am Tag für Lebensmittel. Dabei ist die Freikaufentscheidung ein Teil unserer Marktwirtschaft. Die Discounter machen dabei einen Marktanteil von etwa 40% aus. Und Jassine Ouali hat die Strategie von Lidl erläutert, um Menschen mit geringem Einkommen, gesunde und auch nachhaltige Produkte zu verkaufen.

Jeder Konsument, jede Konsumentin hat die Macht, Herstellungsprozesse zu lenken. Die Nachfrage bestimmt den Markt. Und auch wenn das Angebot versucht, die Nachfrage zu lenken und Werbung auf dieses Konto einzahlt, so sind doch Peerdruck, soziale Normen und vor allem Gewohnheiten starke Gegengewichte, die die Kaufentscheidungen der Verbraucher maßgeblich beeinflussen.

Mir war vor der Veranstaltung nicht bewusst, wie viel Einfluss die Ernährung für unsere Zukunft ist. Es ist der allergrößte Hebel. Es ist der fast alles entscheidende Faktor. Gefolgt von der Textilbranche. Der Flächenverbrauch für die Herstellung von Ernährung ist ein großer Auslöser das Artensterbens. 80% des Frischwassers unseres Planeten wird für die Ernährungsindustrie verbraucht.

Bei der Herstellung unserer Lebensmittel (inklusive Getränke) werden, Flächen verbraucht, Trinkwasser genutzt, CO2 ausgestoßen und Verpackungen erzeugt. Dazu kommt der Transport der Lebensmittel. Die Art und Weise der Ernährung beeinflusst unser Gewicht und unsere Gesundheit. An Krankheit und Übergewicht hängen enorme gesellschaftliche Folge-Kosten.

Und was für Player haben diesen enormen Hebel gemeinsam in der Hand?

Die Politik (Deutschland und EU) und in den Herstellungsländern, der Handel, die Verbraucher  und die Herstellungsunternehmen.

Was brauchen wir, um diesen Hebel wirklich in die richtige Richtung zu legen?

Fakt ist, dass die Reduzierung des konventionellen Fleischverbrauches und tierischer Produkte (z.B. Eier und Milch) einen großen positiven Einfluss haben. Unabhängig davon, ob sie aus Bio oder anderer Quelle kommt. Fakt ist auch, dass das Wachsen der Weltbevölkerung ein großes Thema ist. Es gilt den Flächenverbrauch zu reduzieren und die Artenvielfalt unterstützen.

Aber wie machen wir das, ohne die Menschen zu bevormunden und sind die Verbraucher eigentlich der wahre Hebel? Die Subventionsstruktur der Landwirtschaft hat lenkende Wirkung und lenkt momentan in eine falsche Richtung. Uns fehlt in Deutschland eine Ernährungsstrategie. Die Politik muss sich dieses Themas deutschlandweit, europaweit und international annehmen. Der Handel kann durch Eigeninitiativen (Einführung Nutriscore durch Lidl und testweise Einführung des Ecoscore) lenkende und aufklärende Funktionen erfüllen. Und wir alle können positive und ermächtigende Bilder, Hoffnungen und Wege aufzeigen. Statt erhobenem Zeigefinder und deutscher Vorwurfskultur, die oft vom unterdrückten Neidgedanken noch befeuert wird, können wir in eine Ermöglichungskultur erwachsen. Wir brauchen klare Zahlen zu dem Impact und den Folgen einzelner Handlungsweisen. Und uns muss klar sein, dass alle Player auch Eigeninteressen verfolgen. Food ist ein Trend der die Marktwirtschaft befeuert. Es fehlt an neutraler Transparenz, simplen Handlungsanweisungen und klaren Impact-Berechnungen. Und es braucht Subventionsstrukturen, die auf eine sinnvolle Ernährungsstrategie einzahlen. Und es braucht Unterstützung und wertschätzende Begleitung für die Landwirtschaft. Die Landwirtschaft ernährt uns, es sind Betriebe, die ihre betriebswirtschaftlichen Prozesse an den Subventionsstrukturen ausgerichtet haben. Die Landwirtschaft mit Vorwürfen zu überhäufen und sie als allein Schuldige anzuprangern, ist der falsche Weg. Es gilt auch, die völlig unterschiedliche Art von landwirtschaftlichen Betrieben anzuerkennen und nicht über einen Kamm zu scheren. Die Großproduktion und der kleine landwirtschaftliche Familienbetrieb im Nebenerwerb, da liegen Welten dazwischen.

Ernährung hängt massiv von Gewohnheiten ab. Wir haben uns eine fleischorientierte Küche angewöhnt. Uns fehlen Ideen für Alternativen. Wir brauchen Role Models und Anregungen.

Und was wir in Deutschland wirklich lernen müssen, ist uns selbst zu loben und kleine Schritte anzuerkennen. In uns selbst und bei anderen. Weniger Fleisch essen ist auch schon viel. Wenn wir alle mehr in unserer eigenen Balance und Anbindung stünden und auch akzeptierten, dass Menschen vom Grundsatz her genussvoll und willensschwach sind, dann könnten wir in liebevollem Umgang mit uns selbst unser Leben zu einem besseren wenden, ohne uns dabei selbst zu überfordern und mit einem chronisch schlechten Gewissen unsere eigene Energiebalance zu beeinträchtigen. Dieser ständige Mangelgedanke schädigt uns auf eine andere auch nicht zu unterschätzende Art und Weise.

Und was können wir Unternehmerinnen und Unternehmer tun?

Auch wir haben große Hebel in verschiedene Richtungen. Auf der einen Seite können wir durch ein gutes Ernährungsangebot an unsere Mitarbeitenden einen eigenen Beitrag leisten. Wir können für uns selbst und unser familiäres Angebot sorgen. Wir können uns durch Investition in Startups, Spenden und eigene Projekte engagieren. Und wir können auf die Politik einwirken.

Fazit

Die Veranstaltung hat mir Lust gemacht, auf eine Zukunft mir veränderten Ernährungsgewohnheiten. Und sie hat mir Mut gemacht, denn ich hatte das Gefühl, dass sich viele kompetente Menschen mit diesen Themen auseinandersetzen und wir alle gemeinsam an der Zukunft unseres Planeten wirken können.